„Mit Sprache bringen wir die Welt "auf den Begriff"; mit ihr regeln wir weitgehend die sozialen Beziehungen.“ – so leitet Josef Klein 2010 einen Beitrag in der APuZ-Zeitschrift der Bundeszentrale für Bildung ein.
Sprache, die Wörter, die wir wählen, wie wir uns bewegen, schauen, ansehen… Damit beschreiben wir, wie es uns geht, wie wir uns fühlen, was wir erleben. Kommunikation ist so vielfältig und unterschiedlich.
Am Donnerstagmorgen habe ich auf dem Weg in die Arbeit Radio Wuppertal gehört – und habe lange über die gehörten Worte nachdenken müssen.
„Eigentlich ist ja Solingen die Klingenstadt…“ – mit einem kleinen Wortwitz versucht der Radiomoderator eine Überleitung zu schaffen zu einem Beitrag über Straftaten mit Messern als Waffen (Stichwaffen) in Wuppertal.
Ich drehe das Radio ein bisschen lauter. Der Moderator und seine Kollegin haben einen Beitrag vorbereitet – rein statistisch habe die Gewalt, die Anzahl von Angriffen mit Messern, nicht zugenommen. Aber da man aktuell so viel darüber höre, ist das Angstempfinden bei vielen Menschen sehr groß.
Bis hierhin ist noch alles in Ordnung für mich. Auch mir macht es Angst, von Gewalttaten in meiner Heimatstadt zu hören. Radio, Instagram, WhatsApp und Co. machen viele Themen präsenter als früher.
Aber dann folgen ein paar Worte, die mich bis jetzt nicht mehr losgelassen haben:
„Für den Normalbürger* gäbe es nichts zu befürchten, die Messerangriffe fänden in einem bestimmten Milieu statt.“
Und da sitze ich in meinem Auto auf dem Weg zur Arbeit und höre diese Worte und bin einfach nur wütend und fassungslos – Sprache ist Macht. Und ich möchte meine Gedanken mit euch teilen, denn ich glaube, in der heutigen Zeit, in der wir leben, ist es unglaublich wichtig, welche Worte wir nutzen.
Einige von euch haben schon mitbekommen, dass in der OT ein kleiner Traueraltar eingerichtet worden ist. Denn einer der Jugendlichen, der viele Jahre die OT besucht hat, ist der Gewalt mit Stichwaffen in Wuppertal zum Opfer gefallen.
Wenn in unserem Verein über diesen Menschen gesprochen wird, dann spürt man sehr viel Trauer und Betroffenheit. Wie tragisch ist es, wenn das Leben eines Menschen mit 24 Jahren plötzlich endet…
Wie kann im Radio, in der Öffentlichkeit, eine Unterscheidung in „Normalbürger“ und „Kriminelle“ getroffen werden, wo es eigentlich nur angebracht wäre, den Hinterbliebenen viel Kraft zu wünschen und unser Beileid auszusprechen.
Wie kann man angesichts einer solchen Tragödie davon sprechen, „Normalbürger“ hätten nichts zu befürchten?
Welches Gefühl vermitteln wir damit den jungen Menschen, die um einen Freund trauern?
Es ist traurige Realität in Deutschland, dass viele Menschen unter Diskriminierung und Rassismus leiden. Dass rechte Parteien an Zulauf gewinnen – es liegt an jeder*m Einzelnen von uns, sich laut und stark gegen Rechts auszusprechen und in Nächstenliebe für Menschen einzustehen, die ausgegrenzt, diskriminiert oder angefeindet werden.
Dass ein junger Mensch sein Leben verliert ist eine unglaublich traurige Tragödie.
„Für den Normalbürger gehe erstmal keine Gefahr aus“ – mit diesem Satz ziehen wir eine unmenschliche Grenze, als würden wir die Gewalt legitimieren und in Ordnung finden, weil sie nur „einen bestimmten Personenkreis“ betrifft!?
Was soll das für ein Milieu, für ein Personenkreis sein? Was qualifiziert einen als „Normalbürger*in“?!
Mit dieser Unterscheidung, dieser Beschreibung, grenzen wir Menschen aus, die in unserer Stadt leben, Freundschaften pflegen, zur Schule gehen, arbeiten, eine Familie haben, lieben. Mit dieser Aussage im Radio ist ein großes Unrecht passiert meiner Meinung nach – da steckt so viel Falsches, so viel Rassismus und Diskriminierung hinter.
Wenn wir junge Menschen, die in ihrem jungen Leben bereits viel Gewalt erleben mussten, auf eine solche Weise „abschreiben“, herabwürdigen – dann ist das der völlig falsche Weg und Ansatz.
Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Jedes Kind hat das Recht, gewaltfrei aufzuwachsen.
- Laura Miguelez Dortland